Dazu gibt es einen Abriss über Hoo­li­ga­nismus und Gewalt im DDR-Fuß­ball. Klingt alles seltsam ver­traut? Ist es auch. Denn Frank Will­manns »Ultras Kutten Hoo­li­gans« kommt daher wie eine 120 Seiten lange Fort­set­zung des von ihm im ver­gan­genen Jahr her­aus­ge­ge­benen Buches »Sta­di­onpar­ti­sanen«. Dabei wollte Will­mann, so ver­spricht es der Titel des Buches, eigent­lich von Fuß­ball­fans in Ost-Berlin berichten. Doch zu schnell macht es sich der Ber­liner Jour­na­list und Autor in einem Mikro­kosmos gemüt­lich, der, nicht nur in der Rolle des Doku­men­tars, sein zu Hause ist und ver­sinkt in der Schön­heit des ihm Bekannten: dem Span­nungs­feld zwi­schen Köpe­nick und Jahn-Sport­park. BFC vs. Union. Oder umge­kehrt. Will­mann oszil­liert aus­schließ­lich zwi­schen den beiden renom­mier­testen Klubs Ost-Ber­lins, ver­gleicht ihre Geschichte und ergeht sich in der hass­erfüllten Riva­lität beider Fan­lager. Erich Mielke inklu­sive. So ist Der­by­zeit die ganze Zeit. Und am Ende tanzt doch wieder die Gewalt über die Seiten. Weinrot oder weiß-rot. Die Geschichten ähneln sich und erzählen all jenen, die bereits mit den Par­ti­sanen in der Kurve standen, nicht viel Neues. Die groß­for­ma­tigen Schwarz-Weiß-Foto­gra­fien des renom­mierten Foto­re­por­ters Harald Haus­wald hin­gegen schon. Und genau darin liegt wohl auch der Ansatz von »Ultras Kutten Hoo­li­gans«. Es ist kein Lese­buch für fuß­bal­le­ri­sche DDR-Spät­ro­man­tiker, son­dern es ist viel­mehr als eine Art beglei­tender Bild­band zu »Sta­di­onpar­ti­sanen« zu begreifen.

War der Vor­läufer noch eine inves­ti­gativ ange­hauchte Lese­reise durch das Wesen ost­deut­scher Sta­di­on­ge­walt, so steht diesmal die Bild­sprache Haus­walds im Vor­der­grund. Der Träger des Bun­des­ver­dienst­kreuzes gilt schon länger als Chro­nist Ost­deutsch­lands. Und so ist sein Blick auf den Ost-Ber­liner Fuß­ball im Wandel der Zeit ent­spre­chend aus­schwei­fend. Seine Foto­gra­fien aus den ver­gan­genen 20 Jahren ver­mit­teln Ber­liner Sta­di­on­folk­lore und wirken dabei oft so ver­spielt und lie­be­voll insze­niert wie alte DEFA-Laus­bu­ben­filme. Dann wieder schauen die Fotos gera­de­wegs in die Gri­massen der Gewalt und tau­chen ein in die Par­al­lel­welt hinter dem Zaun. Flie­gende Fahnen und ver­zerrte Gesichter. Ob vor Freude oder Hass, ist dabei nicht mehr wichtig. Die Grenzen ver­schwimmen. Alles fließt. Im Fahr­wasser dieses visu­ellen Pot­pourris bizarrer Fan­kultur gibt Will­mann poin­tierte Innen­an­sichten aus der Kurve, die den Rahmen für Haus­walds foto­gra­fi­sche Exkur­sion bilden sollen. Doch es ent­steht keine Bezie­hung zwi­schen Will­manns unter­halt­samen Sta­di­on­an­ek­doten und den langen Bild­stre­cken Haus­walds. Der Innen­ver­tei­diger der Autoren­na­tio­nal­mann­schaft sendet Mor­se­zei­chen von den Steh­tri­bünen des Ost-Ber­liner Fuß­balls heu­tiger Tage. »Hinter uns pöbelt ein semi­pro­le­ta­ri­scher Mob und ver­mutet eine Ver­schwö­rung von Schwulen, Negern, Fotzen und Zecken.« So klingt das win­ter­liche Hohen­schön­hausen. Und Will­mann steht mit­ten­drin. Die Bilder aber spie­geln eine Fan­szene längst ver­gan­gener Tage. Oft liegen Jahre zwi­schen Fotos und Geschichten. Bis man sich schließ­lich im Dickicht der offen zur Schau getra­genen Ost­algie ver­irrt. Die Bilder laufen durch, die Texte nebenher. Als würden sie sich nicht kennen und schon gar nicht mögen.

Das eigent­liche Herz des Buches bildet nicht zufällig das Kapitel »Spiele der Gewalt«. Ein von Frank Will­mann ange­schärfter Aus­wärts­be­richt des 1995 ver­stor­benen BFC-Garde-Hools Jochen »Ellis« Schramm. Ohne Empa­thie und in einer fast schon Ekel erre­genden Offen­heit schil­dert Schramm einen Aus­wärts­ritt der Dynamo-Rotte nach Erfurt. Unge­schönt und roh kra­chen dort Körper auf­ein­ander, unter­malt vom häm­mernden Beat pul­sie­renden Adre­na­lins. Schramms Schil­de­rung gibt der Fratze des Dynamo-Hoo­li­gans eine ehr­liche Stimme: »Enorm diese Atmo­sphäre, geprägt von Angst, Kampf und Blut­durst«. Schön­reden ist nicht. In dieser intensiv sub­jek­tiven Erzäh­lung einer 24 Stunden wäh­renden Gewalt­orgie ver­mischt sich Schramms Sprache für einen kurzen Moment mit den Moment­auf­nahmen Haus­walds zu einem hyp­no­ti­schen Psy­cho­gramm der Ost-Ber­liner Hoo­li­gan­szene. Rotes Blut in schwarz-weiß. Und am Ende schallt es wieder: BFC. Was auch sonst.

Jaron Verlag|120 Seiten|14,90 €

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